Risikofaktoren für Zweittumore
Die Forschungsgruppe Kinderkrebs des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern konnte zeigen, dass vererbbare genetische Veranlagungen das Risiko für neue Tumorerkrankungen nach Krebs im Kindes- und Jugendalter um mehr als das 7-fache erhöhen. Die Forschenden haben Risikofaktoren untersucht, die zu Zweittumoren führen können. Bekannt war bereits, dass Strahlen- oder Chemotherapie das Krebsrisiko erhöhen. Dies wurde bestätigt. Neu ist die Erkenntnis, dass genetische Veranlagungen mit einem besonders hohen Risiko einhergehen. Der Erstautor Dr. Nicolas Waespe empfiehlt nun, dass die Abklärung von genetischen Ursachen von Krebs bei Kindern und Jugendlichen intensiviert wird und Betroffene in Früherkennungsprogramme für Zweittumoren eingeschlossen werden.
Die im European Journal of Cancer publizierte Studie der Universität Bern schloss Menschen mit einer Krebserkrankung vor dem 21. Lebensjahr ein. Das Ziel der Studie war, besser zu verstehen, welche Menschen mit Krebs im Kindes- und Jugendalter ein besonders hohes Risiko haben, an einer erneuten Tumorerkrankung (sogenannten Zweittumoren) zu erkranken. Von den 8074 Studienteilnehmern entwickelten 94 mehrere Krebserkrankungen. Bei 304 Betroffenen wurde im Rahmen der üblichen Abklärungen eine genetische Veranlagung gefunden, von der bekannt ist, dass sie Krebserkrankungen begünstigen kann. Die Forschenden konnten zeigen, dass innerhalb von 20 Jahren nach einer Kinderkrebserkrankung fast jede vierte Studienteilnehmerin mit einer genetischen Veranlagung mindestens eine weitere Krebserkrankung hatte.
Dr. Waespe betont, dass man bei Menschen mit Krebs im Kindes- und Jugendalter auf Zeichen einer genetischen Veranlagung achten und gegebenenfalls eine genetische Beratung veranlassen sollte. So wird eine individuell angepasste Betreuung möglich. Beratung und regelmässige Kontrollen auf Anzeichen von weiteren Krebserkrankungen können dann zu frühzeitiger Erkennung von Zweittumoren beitragen. Dies verbessert meist die Heilungschancen und das Überleben, wie in früheren Studien aufgezeigt wurde. Eine engmaschige Betreuung der Betroffenen ist deshalb wichtig, weil nach Heilung eines Ersttumors, Zweittumoren die häufigste Todesursache nach Krebs im Kindesalter sind.
Um genetische Veranlagungen für Zweittumoren und weitere gesundheitliche Komplikationen nach Krebs im Kindesalter genauer zu untersuchen, sammelt die Forschungsgruppe seit 2019 Speichelproben von betroffenen Menschen. Diese werden in einer nationalen Biobank namens BISKIDS in Genf aufbewahrt. Das Ziel ist, eine grosse Datenbank mit genetischen Daten für die Forschung aufzubauen, um genauer zu verstehen, warum viele Menschen Zweittumoren und Komplikationen nach einer Krebserkrankung haben, während andere vollständig genesen.
Weitere Informationen: https://doi.org/10.1016/j.ejca.2020.11.042
Forscher/innen:
Dr. med. Nicolas Waespe, nicolas.waespe@ispm.unibe.ch
Prof. Dr. med. Claudia Kuehni, claudia.kuehni@ispm.unibe.ch