Einblick in unser politisches Engagement
Die im Vergleich zu erwachsenen Krebspatienten geringe Anzahl krebskranker Kinder und Jugendlicher macht es für die Pharmaindustrie wenig attraktiv, spezifische Medikamente für diese Patientengruppe zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Deshalb sind die meisten Medikamente, mit denen krebskranke Kinder und Jugendliche behandelt werden, eigentlich nur für Erwachsene zugelassen. Da aber Anwendungen im sogenannten Off-Label-Use nicht unter die amtlichen Indikationen fallen, sind die Krankenversicherungen nicht immer zur Kostenübernahme verpflichtet. Dies führt dazu, dass Kinderonkologen und Eltern immer häufiger von Fällen berichten, in denen die Kostenübernahme von lebenswichtigen Medikamenten verweigert wurde. Diese unsichere Situation belastet die Eltern doppelt. Zum einen können sie die Behandlungskosten nicht immer selbst finanzieren, zum anderen fehlt ihnen die Sicherheit, dass ihr Kind Zugang zu den besten Therapiemöglichkeiten hat. Dank der medizinischen Fortschritte werden auch Kinder zunehmend Zugang zu innovativen Therapien erhalten, was mit einem steigenden Kostendruck einhergeht. Es ist deshalb zu befürchten, dass sich das Problem in den kommenden Jahren weiter verstärken wird.
Kinderkrebs Schweiz setzt sich deshalb auf Bundesebene für konkrete Massnahmen zur Verbesserung der Kostenübernahme von Medikamenten für krebskranke Kinder ein. Unser Ziel ist, dass in Zukunft alle für die Therapie notwendigen Medikamente von den Krankenkassen oder der IV übernommen werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass jedes kranke Kind eine optimale medizinische Behandlung erhält. Wichtig ist dabei, Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit für unsere Anliegen zu sensibilisieren.
Kinderkrebs Schweiz setzt sich für Evaluation des BAG ein
Mit Hilfe der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates konnte der Bundesrat überzeugt werden, die Situation der Kostenübernahme von Medikamenten im Bereich der Kinderonkologie spezifisch zu evaluieren und einen Bericht ausarbeiten zu lassen. Das Eidgenössische Departement des Inneren, das vom Bundesrat mit der Evaluation und dem Bericht beauftragt wurde, hat 2021 bestätigt, dass die Ergebnisse im ersten Halbjahr 2022 vorliegen werden. Um die Situation im Bereich der Kinderonkologie besser zu erfassen, wurden Gespräche mit Kinderonkologinnen und - onkologen aus der ganzen Schweiz im Herbst 2021 geführt. Kinderkrebs Schweiz konnte sowohl bei der Festlegung der Themenschwerpunkte als auch bei der Auswahl der Fachexperten mitwirken. Wir hoffen, dass der Bericht dazu beitragen wird, die schwierige Lage der pädiatrischen Onkologie deutlich zu machen und Lösungen zu finden, um die Situation der Betroffenen in diesem Bereich nachhaltig zu verbessern.
Kinderkrebs Schweiz engagiert sich im nationalen Krebsnetzwerk Oncosuisse
Seit 2019 kommen Experten aus diversen Bereichen regelmässig zusammen, um gemeinsam Massnahmen zu entwickeln, die den Zugang zu Krebsmedikamenten in Zukunft sicherstellen sollen. Diese Massnahmen wurden in sieben Projekten konkretisiert. Mit der Unterstützung eines Netzwerkes von rund hundert Fachpersonen werden diese in einer nächsten Phase in die Praxis umgesetzt. Für den Bereich Kinderonkologie sind insbesondere drei Arbeitsthemen interessant.
Erweitertes Antragsrecht für Arzneimittel
Grundsätzlich gilt, dass ein Arzneimittel nur über die obligatorische Krankenversicherung vergütet wird, wenn es zugelassen ist und sich auf der sogenannten Spezialitätenliste (SL-Liste) befindet. Aktuell sind Anträge um Zulassung bei Swissmedic für Wirkstoffe oder neue Indikationen aber ausschliesslich den Herstellern vorbehalten. Dies bedingt, dass nur die Pharmaindustrie beim BAG ein Gesuch stellen kann, damit ein Medikament in die Spezialitätenliste aufgenommen und somit kassenpflichtig wird. Allerdings fehlen zum Teil Anreize, Indikationen zur Zulassung oder Aufnahme in die SL-Liste anzumelden, beispielweise wenn Patente abgelaufen sind oder das Schweizer Marksegment zu klein ist. Diese Problematik stellt eine grosse Herausforderung für die pädiatrische Onkologie dar, einem Bereich in dem aus Rentabilitätsgründen von der Pharmaindustrie nur wenig geforscht wird und somit kaum spezifischen Anträge auf Zulassung gestellt werden. Im Interesse der Patienten prüfen die Experten aus dem Nationalen Krebsnetzwerk aktuell, ob in Zukunft weitere Organisationen, wie zum Beispiel medizinische Fachgesellschaften, die Zulassung für neue Indikationen oder Indikationserweiterungen und/oder die Aufnahme in die Spezialitätenliste beantragen können.
Empfehlungsliste für unbestrittene Medikamente
Die meisten Medikamente, die bei der Behandlung krebskranker Kinder zum Einsatz kommen, sind eigentlich nur für Erwachsene zugelassen. Da diese Anwendungen im sogenannten Off-Label-Use nicht unter die amtlichen Indikationen fallen, werden sie nur im Rahmen einer Ausnahmeregelung mittels Kostengutsprache und unter bestimmten Bedingungen von den Krankenkassen zurückerstattet. Wie die letzte Evaluation des Bundesrates gezeigt hat, werden diese Kostengutsprachen von den Krankenkassen unterschiedlich gehandhabt und können dadurch zu einer Ungleichbehandlung von Krebspatienten führen. Manche der eingereichten Anträge betreffen auch Medikamente, die unbestritten sind, da ihr therapeutischer Nutzen längst erwiesen wurde und sie schon lange auf dem Markt sind. Um Krebspatienten in Zukunft einen rascheren Zugang zu diesen unbestrittenen Behandlungen zu ermöglichen, haben Experten des nationalen Krebsnetzwerks gemeinsam einen Lösungsansatz erarbeitet. In Zusammenarbeit mit dem Kinderonkologe Pierluigi Brazzola ist es Kinderkrebs Schweiz gelungen, die Interessen der pädiatrischen Onkologie zu vertreten. So konnten sich die Teilnehmer auf eine Liste von unbestrittenen Medikamenten und Indikationen einigen, deren Kostenübernahme in Zukunft vereinfacht werden sollte. Im Bereich der Kinderonkologie handelt es sich um drei wichtige Medikamente, bei denen die Kostenübernahme bisher eher schleppend verlief. Eine Absichtserklärung wurde mit manchen Krankenversicherungen bereits unterzeichnet. Ein vereinfachtes Verfahren für diese Anträge wird in den kommenden Monaten erarbeitet und das Pilotprojekt im Anschluss lanciert.
Expertengremium für schwierige Fälle
Eine immer komplexer werdende personalisierte Medizin verursacht aktuell einen starken Anstieg der Anwendungen im Off-Label-Use. Um aber den therapeutischen Nutzen einer hochspezialisierten Therapie fachkundig bewerten zu können, müsste bei den Vertrauensärzten der Krankenkassen ein immer fundierteres Fachwissen erforderlich sein. Wenn dieser Nutzen von der Krankenkasse nicht anerkannt wird, bedeutet das für Patienten, dass die Kosten der Therapie nicht übernommen werden. Im Bereich der pädiatrischen Onkologie betreffen Ablehnungen seitens der Krankenkassen vermehrt Behandlungen bei Rezidiven oder refraktären Krankheiten.
Um die Vertrauensärzte bei ihren Beurteilungen in Zukunft besser zu unterstützen, hat der Bundesrat in seiner letzten Evaluation auf die Wichtigkeit eines Expertengremiums für schwierige Fälle hingewiesen, um Fälle von Ungleichbehandlung zwischen den Versicherten in Zukunft zu vermeiden. Dieser Vorschlag wurde im Rahmen der Projektarbeit des Oncosuisse Krebsnetzwerks aufgegriffen. Ziel dieses Projekts ist es, Krankenkassen in einem hochkomplexen Bereich zukünftig besser zu unterstützen und Patienten somit die Sicherheit zu geben, dass die notwendigen Fachkenntnisse zur Beurteilung des therapeutischen Nutzens vorliegen. Kinderkrebs Schweiz engagiert sich innerhalb der Arbeitsgruppe, um ein Expertengremium-Modell auszuarbeiten und dessen Integration in das bestehende System voranzutreiben.