«Mein grösster Wunsch ist, etwas Wichtiges zu schaffen, damit Kinder geheilt werden können und zu gesunden Erwachsenen heranwachsen»
Interview mit Andrea Timpanaro
Andrea Timpanaro ist Wissenschaftler am Inselspital Bern und diesjähriger Preisträger des Kinderkrebs Schweiz Förderpreises. Sein innovatives PhD-Projekt im Forschungslabor der Abteilung für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie hat zum Ziel, eine neuartige Immuntherapie (CAR-T Zelltherapie) für Rhabdomyosarkome zu entwickeln. Rhabdomyosarkome sind die häufigsten bösartigen Weichteiltumoren im Kindes- und Jugendalter.
Herr Timpanaro, Sie sind auf Rhabdomyosarkome bei Kindern und Jugendlichen spezialisiert. Was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff, und was macht diese Tumorarten besonders interessant für die Grundlagenforschung?
Rhabdomyosarkome gehören zur Gruppe der sogenannten Weichteilsarkome. Diese seltenen und bösartigen Tumorarten können in Weichteilen wie Muskeln, Bindegewebe, Blut- und Lymphgefässen, Nerven und Fettgewebe entstehen. Bei Kindern und Jugendlichen machen Weichteilsarkome etwa 15 Prozent aller Krebserkrankungen aus, wobei Rhabdomyosarkome am häufigsten auftreten. Weichteilsarkome umfassen viele verschiedene Untergruppen von Tumoren, und die Ursachen sind noch immer ungeklärt. Die Tatsache, dass es nur eine geringe Anzahl an Patienten gibt und Weichteiltumore keine homogene Tumorgruppe darstellen, macht ihre Erforschung und Behandlung besonders schwierig. Wenn wir jedoch mehr über die Ursachen und genetischen Unterschiede der verschiedenen Sarkome wissen, kann dies dazu beitragen, die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten der jungen Krebspatientinnen und -patienten zu verbessern.
Sie wurden für Ihre Arbeit mit dem Förderpreis von Kinderkrebs Schweiz ausgezeichnet. Worum geht es in Ihrem Projekt genau?
Mein Forschungsprojekt zielt darauf ab, CAR-T-Zellen zur Behandlung von Rhabdomyosarkomen zu entwickeln. Die CAR-T-Zelltherapie ist eine Immuntherapie, bei der, vereinfacht gesagt, menschliche Immunzellen gentechnisch so verändert werden, dass sie gezielt Krebszellen erkennen und bekämpfen. Dabei werden dem Körper Abwehrzellen, sogenannte T-Lymphozyten, entnommen, im Labor aufbereitet und vermehrt, um sie dann dem Patienten wieder zu injizieren. CAR-T-Zellen werden bereits erfolgreich bei Kindern mit Leukämieerkrankungen eingesetzt. Wir untersuchen im Labor, ob sich diese innovative Technologie auch für die Behandlung von soliden Tumoren wie dem Rhabdomyosarkom eignet. Dazu haben wir CAR-T-Zellen genetisch so verändert, dass sie ein spezifisches Ziel auf Rhabdomyosarkom-Zellen erkennen, daran anbinden und so den Krebs sehr effektiv bekämpfen. Die ersten Forschungsergebnisse sind sehr vielversprechend, da wir zeigen konnten, dass diese CAR-T-Zellen eine hohe Anti-Tumor-Wirksamkeit haben. Wenn in weiteren Studien keine Nebenwirkungen auftreten und sich die Wirksamkeit dieser CAR-T-Zellen bestätigt, können wir davon ausgehen, dass wir eine vielversprechende Therapie gegen das Rhabdomyosarkom entwickelt haben. Bevor diese jedoch offiziell zugelassen wird, muss sie noch in weiteren klinischen Studien überprüft werden. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Warum ist die Grundlagenforschung wichtig und inwieweit kann sie zu Fortschritten bei der Behandlung dieser Krebsarten beitragen?
Ich denke, dass die Grundlagenforschung für die Zukunft der Wissenschaft im Allgemeinen von grundlegender Bedeutung ist. Jedes Medikament, jede Behandlung, jedes Heilmittel muss erst einmal entwickelt, in verschiedenen Schritten validiert und dann zugelassen werden. Was das Rhabdomyosarkom anbelangt, so wurden in den letzten Jahrzehnten dank der Chemo- und Strahlentherapie einige Fortschritte erzielt, aber die metastasierenden Formen dieser aggressiven Krebsart sind immer noch schwer zu behandeln. Die CAR-T-Zelltherapie ist sehr vielversprechend, und ich hoffe, dass wir sie in Zukunft auch bei soliden Tumoren erfolgreich anwenden können. Unser Ziel ist es, CAR-T-Zellen zu entwickeln, mit denen Rhabdomyosarkome bei Kindern und Jugendlichen schnell und effizient behandelt werden können, ohne dass sie einen Rückfall erleiden. Um das zu erreichen, ist die Grundlagenforschung jedoch auf ausreichende Mittel angewiesen. Deshalb sind wir sehr froh über diese Anerkennung und finanzielle Unterstützung durch Kinderkrebs Schweiz.
Was motiviert Sie am meisten bei Ihrer Arbeit?
Ich bin sehr glücklich, in der Kinderklinik Bern zu arbeiten, weil ich jeden Tag von Kindern umgeben bin. Dennoch wird mir beim Anblick von Kindern, die an Krankheiten wie Krebs leiden, auch immer wieder bewusst, wie viel wir noch für sie und ihre Zukunft verbessern müssen. Das ist es, was mich am meisten motiviert. Und ich bin von Herzen gerne Forscher, weil es mich fasziniert, neue Strategien auszuarbeiten und Hypothesen aufzustellen, die wiederum überprüft werden müssen. Mein grösster Wunsch für die Zukunft ist, etwas Wichtiges zu schaffen, damit Kinder geheilt werden können und die Chance bekommen, zu gesunden Erwachsenen heranzuwachsen. Es liegt noch ein langer Weg vor uns, und dieses Ziel kann nur gemeinsam erreicht werden - mit Hilfe von Ärzten, Forschern und natürlich Sponsoren.