Auch wenn sich dank medizinischer Fortschritte die Überlebenschancen in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert haben, bleibt Krebs nach Unfällen die zweithäufigste Todesursache in dieser Altersgruppe. Um die Heilungschancen der Betroffenen kontinuierlich zu verbessern und Spätfolgen zu verringern, muss die klinische Forschung in der Schweiz weiter vorangetrieben werden. Diese findet in spezialisierten Kinderkliniken statt und wird zentral von der Schweizerischen Pädiatrischen Onkologie Gruppe (SPOG) koordiniert.
Kinderkrebs ist anders
Krebs bei Kindern ist anders und viel seltener als bei Erwachsenen. Dennoch erhalten jährlich rund 300 Kinder und Jugendliche in der Schweiz die Diagnose Krebs. In über 50 Prozent der Fälle trifft die Krankheit Säuglinge und Kleinkinder. Zu den häufigsten Erkrankungen bei diesen Patienten gehören Leukämien (33%), Tumore im Gehirn und Rückenmark (20%), Lymphome (13%) sowie eine Reihe embryonaler Tumore wie Neuro- oder Retinoblastome. Kinder erkranken aber nicht nur an einer Vielfalt anderer Krebsformen wie Erwachsene, sie reagieren teilweise auch anders auf die in der Therapie angewandten Medikamente und Methoden. Hinzu kommt das Risiko von Langzeitfolgen, unter denen bis zu 80 Prozent der als geheilt geltenden Kinder und Jugendlichen leiden. Weil Kinderkrebs nicht wie Erwachsenenkrebs ist und Kinder besonders geschützt werden müssen, braucht es eine Forschung, die speziell auf diese Patientengruppe zugeschnitten ist.
Die Kinderkrebsforschung in der Schweiz
In der Schweiz sind die neun spezialisierten Kliniken, die krebskranke Kinder und Jugendliche behandeln, in der Schweizerischen Pädiatrischen Onkologie Gruppe (SPOG) zusammengeschlossen. Sie organisiert und überwacht alle Forschungsprojekte und führt die komplexen Verfahren durch, die eine internationale Studie durchlaufen muss, um an die Schweizer Gesetzgebung angepasst zu werden. Erst danach kann ein Kind daran teilnehmen. Und auch die behandelnden Spitäler unterliegen maximalen Qualitätskontrollen zum Schutz der jungen Patienten. Sie müssen sich an exakt vorgeschriebene Abläufe halten und die Therapien genauestens dokumentieren. Durch diese aufwändigen Prozesse entstehen sowohl für die Kliniken als auch die verantwortlichen Forschungsorganisationen sehr hohe Kosten.
Warum ist die klinische Kinderkrebsforschung so wichtig?
Interview mit Prof. Dr. med. Nicolas von der Weid, Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB)
Welche Heilungserfolge und neue Therapien ermöglicht die klinische Forschung?
Interview mit Dr. med. Pierluigi Brazzola, Leitender Arzt Kinderonkologie, Istituto Pediatrico della Svizzera Italiana, Bellinzona
Klinische Forschung rettet Kinderleben
Im Gegensatz zur Grundlagenforschung steht bei der klinischen Forschung der Mensch im Zentrum. Patienten, die an klinischen Studien teilnehmen, erhalten eine optimale Behandlung, während derer neue medizinische Erkenntnisse gewonnen werden können. Dieses Wissen hilft, Krebserkrankungen besser zu verstehen und modernere Therapiemethoden zu entwickeln. Bei Kinderkrebs zielt die klinische Forschung darauf ab, die Überlebenschancen der jungen Patienten zu verbessern und die Langzeitfolgen zu reduzieren. Da Kinderkrebs eine seltene Krankheit ist, waren die Heilungserfolge der letzten Jahrzehnte nur möglich, weil Kinderonkologen und Forscher im Rahmen internationaler klinischer Studien eng zusammengearbeitet haben. So liegt die Überlebensrate von Krebsarten, die vor 50 Jahren noch tödlich verliefen, heutzutage bei über 80 Prozent. Die Teilnahme an diesen internationalen Forschungsprojekten ermöglicht es auch Schweizer Kindern und Jugendlichen, von den weltweit innovativsten Krebstherapien zu profitieren.
Drei Stimmen aus der Forschung
«Fast jede Woche stirbt in der Schweiz ein Kind oder Jugendlicher an Krebs»
Dr. med. Nicolas Waespe
«Ohne klinische Forschung würden viele Kinder mit einem Gehirntumor ihre Erkrankung nicht überleben»
Dr. med. Katrin Scheinemann
«Die Finanzierung der klinischen Studien ist für uns eine enorme Herausforderung»
Prof. Dr. med. Dr. nat. Jean-Pierre Bourquin
Die klinische Forschung braucht Unterstützung
Da Kinderkrebs zu den seltenen Krankheiten gehört, sind verhältnismässig viele Forschungsprojekte für eine kleine Patientengruppe nötig. Das ist sehr kostenintensiv und nur wenig lukrativ für die Pharmaindustrie. Aus diesem Grund sind es fast ausschliesslich nicht-profitorientierte, akademische Organisationen, die im Bereich Kinderkrebs forschen. Im Fall der nationalen Schweizer Forschungsorganisation SPOG werden circa 40 Prozent der Kosten in Form von staatlicher Forschungsförderung gedeckt, die restlichen 60 Prozent müssen aus anderen Quellen finanziert werden. Deshalb ist die klinische Forschung stark auf Beiträge von Förderstiftungen und auf Privatspenden angewiesen. Damit Kinder und Jugendliche weiterhin Zugang zu den modernsten Krebstherapien haben, benötigt diese ausreichende finanzielle Mittel. Nur so kann sichergestellt werden, dass sich die Heilungschancen und die Lebensqualität der Betroffenen kontinuierlich verbessern lassen.
Warum braucht die klinische Kinderkrebsforschung Unterstützung?
Interview mit Isabelle Lamontagne-Müller, Geschäftsführerin der Schweizerischen Pädiatrischen Onkologie Gruppe (SPOG), Bern